Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie by Torsten Sträter

Brainspam: Aufzeichnungen aus dem Königreich der Idiotie by Torsten Sträter

Autor:Torsten Sträter [Sträter, Torsten]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Eldur Verlag


Das Ensemble der Gestörten vervollständigte sich, als ich Schlag zehn abends an Onkel Erwins Tür klingelte. Während ich darauf wartete, dass man mir öffnete, erblickte ich die Kreidespuren, die Kinder an Allerheiligen an den Türen hinterließen und die üblicherweise kryptisch waren.

»PeRveRSe SAu!«, stand da stattdessen, aber bevor ich durch die Zähne pfeifen konnte, öffnete sich die Tür und eine klobige Matrone stand vor mir.

»N’Abend«, sagte ich in ein mir völlig fremdes und flächendeckend abgepudertes Mumiengesicht, und erhielt den Anblick ebenmäßiger Kunststoffzähne zur Antwort.

»Erwin macht gerade Bowle. Möchtest du ablegen?«

»Nicht wirklich«, sagte ich, da ich »ableben« verstanden hatte.

Ich marschierte im Mantel in Erwins Wohnzimmer, und mich traf, wie bei allen seltenen Anlässen, zu denen er in sein Refugium lud, ein nachhaltiger, aber nicht tödlicher Hirnschlag.

Eigentlich war es eher, als würden meine Sehnerven den Anblick nicht verarbeiten können; es war, als würde man versuchen, einer Daumenkino-Variante von »Lawrence von Arabien« zu folgen: Die Augen und das Hirn spielten einfach nicht mit.

Das Wohnzimmer wurde nur von einer imitierten Tiffanylampe erleuchtet, deren Sockel eine Art Hirsch (es konnte aber auch ein Bantha, das Reittier der Sandleute aus Star Wars sein) darstellte. Die Tapete wies ein braungelbes Muster auf, das sich hervorragend auf einem Apfelstrudel gemacht hätte, an den Wänden aber ein Gefühl geistigen Wundseins auslöste; der Bauernschrank in der Ecke war bunt wie das Gesicht eines Pavians, aber das ausgesägte Herz im Zentrum der Tür ließ einen trotzdem intuitiv an ein Scheißhaus aus einem Farbfilm mit Theo Lingen denken.

Überall an den Wänden hingen gehäkelte Sinnsprüchlein mit absurd verschwurbelter Schrift, von denen »Wer versucht sich was zu pumpen, kriegt in die Fresse meine Stumpen« noch der harmloseste war. Ich ließ den Blick kurz über die Häkelbilder schweifen und prägte mir für Notfälle ein, dass sich »Hämorrhoiden« auf »dahingeschieden« reimt.

In der ganzen Wohnung hing ein seltsam beißender Geruch, dessen Quelle ich nicht ausmachen konnte.

Erwin und seine Gäste – Polenwerner, ein mir völlig unbekanntes Ehepaar, meine Oma und die Dame, die geöffnet hatte – hockten um einen runden Tisch in der Mitte des Raumes, und eine Sekunde lang dachte ich, der Tisch wäre so platziert, damit der grell kreischend farbige Teppich nicht entkommen könne, um zurück in die Welt von David Finchers geplanter Neuverfilmung von »Aladin« zu flüchten.

Sie löffelten eine Art klare Suppe, und aus den Lautsprecherboxen schallte »Der lachende Vagabund«.

»Hallo zusammen«, sagte ich, und Erwin produzierte in seinem Bemühen, seinen Stuhl zurückzuschieben, eine fürchterliche Beule in Finchers Teppich.

»Hallo, Junge. Wir essen gerade Fischsuppe. Auch einen Teller?«

»Klar. Aber bitte nicht füllen«, konterte ich. Der brillante Witz versickerte allerdings unkommentiert in addiertem zweihundert Jahre altem Ohrenschmalz.

Dann tauchte kurz ein Mädchen mit Plüschohren und einem Puschel am Tanga auf, verschwand aber umgehend wieder in einer Rauchsäule; offenbar produzierte mein Hirn Nachwehen von etwas, das ich nicht erleben würde.

»Das hier ist Werner, kennste ja«, wies Erwin auf seinen alten Freund Polenwerner, der zu Weihnachten offenbar eine Handytasche geschenkt bekommen hatte.

In dieses Lederbehältnis hatte er den Beutel seines künstlichen Darmausgangs gepresst, der so beängstigend prall zwischen den überforderten Ritzen der Tasche



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